
SAP-Entwicklungsprozesse digitalisieren: Anforderungsmanagement

In meinem ersten Beitrag zur Reihe „SAP-Entwicklungsprozesse digitalisieren“ habe ich liegengelassene Potenziale im Entwicklungsprozess bemängelt. In diesem Beitrag möchte ich nun zuerst mit Ihnen einen Blick auf das Anforderungsmanagement werfen, das den Startpunkt eines SAP-Entwicklungsprozesses markiert.
Das Anforderungsmanagement – auch Requirements Engineering genannt – spielt in der SAP-Entwicklung gleich mehrere entscheidende Rollen. Dabei umfasst es mehrere wichtige Aspekte:
- Die Vorgehensweise zur Ermittlung von Anforderungen,
- Die Prüfung der Anforderungen auf Auswirkungen auf andere Anforderungen / bestehende Entwicklungen und
- Die Verwaltung und Priorisierung von Anforderungen = das Management.
Status Quo im Anforderungsmanagement
Wenn Sie sich Ihr Anforderungsmanagement anschauen – wie läuft Ihr Prozess heute? Welche Schritte sind für alle neuen Anforderungen zu tun, um daraus ein Entwicklungsprojekt zu machen?Im Anforderungsmanagement habe ich bei meinen Kunden bisher sehr unterschiedliche Abläufe kennengelernt. Von…
- … Anforderungen werden per Mail/Telefon an den Entwickler kommuniziert und auf Umsetzung gewartet, über
- … Anforderungsdokumente werden für große Entwicklungen erstellt, Mails/Anrufe hingegen für kleine Bugfixes genutzt, bis hin zu
- … einem Change Request/Ticket im Solution Manager je Anforderung inklusive Anforderungsdokument, Genehmigungsworkflow und vollständiger Systemintegration.
Vielleicht finden Sie sich zu Teilen in einer der Beschreibungen wieder.
Dass Unternehmen das Anforderungsmanagement sehr unterschiedlich handhaben, hat seinen Grund: In kleineren SAP-Mannschaften arbeiten die Mitarbeiter häufig mehr „auf Zuruf“ – schnelle Umsetzung steht in der Prioritätenliste höher als Formalisierung. In sehr komplexen Organisationen, manchmal zusätzlich gesetzlich reguliert, ist der Prozess hingegen heilig – nichts läuft ohne formale Dokumente und Beteiligung aller Stakeholder.
Ansatzpunkte für die Optimierung
Welche Fragen können Sie sich in der SAP-Entwicklung – vielleicht sind Sie sogar selbst als Entwickler dort beteiligt – stellen, um Optimierungspotenziale aufzudecken? Hier ein paar Anregungen, wonach Sie schauen können:
- Personenabhängigkeit: Häufig sind die Prozesse nicht so transparent, dass der Anforderungsprozess unabhängig von persönlichen Postfächern laufen kann. Was passiert mit Ihren Anforderungen, wenn Ihr Entwickler der Wahl drei Wochen im Urlaub ist? Was passiert, wenn er das Unternehmen verlässt? Eine passende Toolunterstützung durch JIRA, Solution Manager (ITSM) oder ähnliche Anwendungen kann hier Abhilfe schaffen, ohne den Prozess künstlich aufzublähen.
- Integration in den Umsetzungsprozess: Wo halten Sie fest, welche Anforderungen gerade umgesetzt werden? Dabei interessiert sich nicht nur der Anforderer für den aktuellen Status, sondern auch Ihre Entwicklungskollegen, um mögliche Abhängigkeiten frühzeitig zu erkennen. Außerdem entsteht oft ein kleines Chaos, wenn Sie zu einer Anforderung die verschickten Mails, Anforderungsdokumente und Dokumentationen suchen müssen. Wie sieht bei Ihnen die Strukturierung und technische Integration in Konzeption und Entwicklung aus? Wieder helfen Tools wie JIRA, der SAP Solution Manager mit ITSM und ChARM oder auch das SAP-Add-on ActiveControl dabei, den Überblick zu behalten und die Integration sicherzustellen.
- Qualität der Anforderungsaufnahme: Eine gute Anforderungsdefinition – sowohl inhaltlich als auch qualitativ – lässt sich recht einfach messen. Wie viele Rückfragen werden im Laufe der Entwicklung an den Anforderer gestellt? Wie viele CRs werden in oder nach dem Projekt in Auftrag gegeben, weil die ursprüngliche Anforderung nicht richtig passt? Ein weiteres Indiz für unzureichend gute Anforderungen sind Testrückmeldungen von Anwendern, die mit den definierten Funktionen nicht gut arbeiten können.Wenn das für Sie die aktuelle Situation ist, eignet sich ein Blick auf das Vorgehen: Wie genau können Sie überhaupt vorher die Anforderungen definieren? Wie gut sind Ihre Workshops strukturiert und wer nimmt daran Teil? Wie können Sie vorher besser rausfinden, was im täglichen Geschäft später benötigt wird? Buzzwords, zu denen wir in diesem Fall sprechen können, sind Scrum oder Design Thinking – aber auch ein Blick auf den Definitionsprozess kann aufschlussreich sein.
- Zeitliche Verzögerungen: Bis Sie eine Anforderung tatsächlich entwickelt können, dauert es sehr lang. Der Prozess ist nicht ganz klar, die Details sind nicht ausgearbeitet und es gibt viele Rückfragen vor und während der Konzeption und Entwicklung. Falls nicht – super! Falls doch, lohnt sich auch hier ein distanzierter Blick auf die Ursachen: Wer definiert wann die Anforderungen und was ist der Auslöser dafür? Sind alle relevanten Stakeholder beteiligt? Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, wie ein Leitfaden für gute Anforderungen (z. B. eine feste Anforderungsdokumenten-Struktur) oder ein kurzer, gemeinsamer Termin der wesentlichen Stakeholder – statt vieler Mails in vielen Postfächern. Das alles kann den entscheidenden Unterschied machen. Aber auch eine agile Methodik kann zu schnell nutzbaren Ergebnissen und besserer Qualität führen.
Es gibt noch viele weitere Fragen und Ansatzpunkte, auf die Sie schauen können. Eine schöne Sammlung davon habe ich hier gefunden: https://www.openpm.info/display/openPM/Checkliste+Anforderungsmanagement .
Passende Toolunterstützung im Anforderungsmanagement
Fest steht: die Wahl eines geeigneten Tools, definierter Prozessstandards und des Vorgehens bei der Anforderungsaufnahme sind wichtige Erfolgsfaktoren für ein solides Anforderungsmanagement. Wenn Sie dafür eine gute Vorgehensweise für sich gefunden haben, sparen Sie sich im gesamten Entwicklungsprozess Zeit:
- Zeit bei der Entwicklung, weil die Anforderungen klar sind und nicht noch fünf Klärungsgespräche geführt werden müssen,
- Zeit bei der technischen Abwicklung, da manuelle Tätigkeiten automatisiert durchgeführt und konsistent gehalten werden können (z. B. Transporte anlegen, Transporte von Kopien anlegen usw.),
- Zeit beim Testen, da aus den Anforderungen einfach und klar die Testfälle – positiv wie negativ – abgeleitet werden können,
- Und Zeit beim Support durch einen definierten und (hoffentlich) dokumentierten Funktionsumfang.
Dafür lohnt sich der vergleichsweise kleine Mehraufwand, um Anforderungen von Anfang richtig und gut zu erfassen und zu beschreiben.
Bekannte Tools, die im Anforderungsmanagement unterstützen können, sind sicherlich JIRA von Atlassian und der Solution Manager mit seinen SAP IT-Service Management (ITSM) Funktionen. Dabei bringt der Solution Manager von Haus aus eine enge Integration in die SAP Landschaft mit. Auch für JIRA lässt sich eine ähnliche Integration einrichten, um Fleißarbeiten zu vermeiden und Synchronität zwischen den Systemen herzustellen.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Überlegung, welches Tool für Sie das Richtige sein kann und bei der anschließenden Einführung und Integration in die Systemlandschaft.